FLÜCHTLINGE – Österreich: Europa muss seine Grenzen selbst schützen

Österreich geht vorsichtig auf Distanz zu Angela Merkels Deal mit der Türkei: Die EU könne den Schutz der Grenzen nicht an ein anderes Land delegieren, sagte Außenminister Kurz. Er schlägt statt dessen vor, die Flüchtlinge auf dem Mittelmeer abzufangen und auf Inseln in Internierungslager zu bringen. Österreich bereitet derzeit die Schließung seiner Grenzen für den Sommer vor.

Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz mit Russlands Sergej Lawrow im April in Moskau. (Foto: dpa)

Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz mit Russlands Sergej Lawrow im April in Moskau. (Foto: dpa)


Zur Abschreckung von Flüchtlingen will der konservative österreichische Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) Migranten im Mittelmeer abfangen und dann sofort zurückschicken oder auf Inseln festhalten. Die EU solle „Teile des australischen Modells“ übernehmen, sagte Kurz der „Presse am Sonntag„. Libyen lehnte unterdessen eine Rücknahme von Flüchtlingen nach dem Beispiel des EU-Abkommens mit der Türkei ab.

Das australische Modell könne zwar nicht vollständig übernommen werden, sagte Kurz. Er hob aber hervor: „Wer auf einer Insel wie Lesbos bleiben muss und keine Chance auf Asyl hat, wird eher bereit sein, freiwillig zurückzukehren, als jemand, der schon eine Wohnung in Wien oder Berlin bezogen hat.“ Die EU sollte sich „Teile des australischen Modells als Vorbild nehmen“.

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Die australische Marine weist systematisch Boote mit Flüchtlingen ab. Flüchtlinge, die dennoch an Land gelangen, werden in Internierungslagern auf kleinen Inseln im Indischen oder Pazifischen Ozean untergebracht. Menschenrechtsorganisationen kritisieren dieses Vorgehen scharf.

Sollte ein konsequentes Abfangen nicht gelingen, sollen die aus dem Mittelmeer geretteten Menschen nach Kurz‘ Vorstellungen in „Asylzentren“ untergebracht werden, „idealerweise auf einer Insel“. Von dort müsse ihre Rückkehr organisiert und finanziell unterstützt werden. Kurz hat sich wiederholt dafür ausgesprochen, Flüchtlingen den Weg nach Europa zu versperren. „Wer illegal versucht, nach Europa durchzukommen, soll seinen Anspruch auf Asyl in Europa verwirken“, sagte er der „Presse am Sonntag“.

Kurz glaubt nicht daran, dass der von Bundeskanzlerin Merkel angestrebte Deal mit der Türkei das Problem lösen werde: „Die Türkei kann die Kooperation jederzeit aufkündigen. Wenn wir uns auf die Türkei verlassen, begeben wir uns in eine gefährliche Abhängigkeit. Plan A muss ein starkes Europa sein, das imstande ist, seine Grenzen selbst zu schützen und selbst zu entscheiden, wer nach Europa kommen kann und wer nicht. Diese Entscheidung darf weder an die Türkei noch an Schlepper delegiert werden.“

Die libysche Regierung lehnte ihrerseits eine Rücknahme von Flüchtlingen nach dem Vorbild des EU-Türkei-Abkommens ab. Der Chef der Einheitsregierung, Ministerpräsident Fajes al-Sarradsch, sagte der „Welt am Sonntag“, Libyen werde „nicht akzeptieren, dass die EU Migranten zu uns zurückschickt“. Europa müsse selbst Wege finden, die Flüchtlinge in ihre Heimatländer zurückzubringen.

Brüssel hatte mit Ankara ein Abkommen zur Rücknahme von Flüchtlingen ausgehandelt, die sich von der Türkei aus auf den Weg zu den griechischen Inseln machen, um in die EU zu gelangen. Derzeit nutzen Flüchtlinge wegen der sommerlichen Temperaturen und ruhiger See wieder verstärkt den gefährlichen Weg über das Mittelmeer. Erst vor wenigen Tagen waren an den Stränden der libyschen Stadt Suara über hundert Flüchtlinge tot aufgefunden worden.

Die Ungewissheit über das Schicksal hunderter Bootsflüchtlinge im Mittelmeer hielt am Wochenende an. Nachdem ein Boot mit mindestens 700 Menschen an Bord knapp 140 Kilometer südlich von Kreta gekentert war, gab es von rund der Hälfte der Insassen weiterhin keine Spur.

Das „massenhafte Sterben“ im Mittelmeer mache „betroffen und sprachlos“, erklärte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. „Wir müssen jetzt alles daran setzen, einen weiteren Sommer des Sterbens zu verhindern.“

Quelle: Deutsche Wirtschafts Nachrichten vom 06.06.2016

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