Kontonummern: IBAN, die Unerkleckliche

Von Tom König

Unser Kolumnist Tom König war ein Fan der IBAN-Kontonummern. Die sind lang, aber praktisch und machen Überweisungen ins Ausland kinderleicht. Dann bekam er es mit der Kleinstaaterei bei den Banken zu tun.

SEPA-Überweisungsträger
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Neulich regte sich ein Bekannter mächtig auf, über Kontonummern. „Mann, diese IBANs gehören verboten“, schimpfte er. „Kann sich doch kein Schwein merken.“ Ich musste den Kopf schütteln. Wer sich über längere Kontonummern aufregt, hat 1993 vermutlich auch gegen die Einführung der fünfstelligen Postleitzahl unterschrieben.

Ich finde „IBAN, die Schreckliche“ großartig. Dank ihr kann man Überweisungen in jedes Land der Europäischen Union tätigen, ohne dass daraus ein komplizierter Vorgang wird. Einige Wochen später habe ich Gelegenheit, die Vorzüge des neuen Pain-Überweisungsformats (heißt wirklich so) auszuprobieren. Ein Geschäftspartner aus Innsbruck hat mir eine Rechnung gestellt. Ich logge mich auf der Seite meiner Hausbank, der Norddeutschen Landesbank (Nord/LB), ein und gebe eine Überweisung in Auftrag.

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Ich bekomme eine Fehlermeldung. Die Kontonummer falsch eingeben? Nein. Der Server? Ich rufe meinen Bankberater an und erzähle ihm von dem Problem.

„Nein, nein, Herr König. Mit dem Server ist alles in Ordnung. Es liegt an Ihrer Überweisung.“

„Inwiefern?“, frage ich.

„Das ist eine gewollte Sperre. Wir haben uns zu dieser Maßnahme entschlossen, um Missbrauch vorzubeugen.“

Ich bin baff.

„Missbrauch bei Überweisungen nach… nach Österreich?“

„Bei Überweisungen in andere EU-Länder, ja“, erwidert der Berater.

„Und wie kriege ich jetzt mein Geld nach Innsbruck?“

 

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Der Berater erklärt mir, elektronische Überweisungen nach Österreich seien mit meinem Konto derzeit nicht möglich. Ich könne mich allerdings freischalten lassen. Er schicke mir die notwendigen Papiere gerne zu.

Die Formulare umfassen wahrscheinlich zehn Seiten, müssen viermal gegengezeichnet werden und dürfen nur per Schneckenpost hin- und hergehen. Bis ich entsperrt wurde, habe ich vermutlich die erste Mahnung meines österreichischen Geschäftspartners im Briefkasten. Deshalb lehne ich dankend ab.

Also darum heißt es Pain

Während ich mit Innsbruck darüber verhandle, ob ich das Geld nicht auch per PayPal kabeln kann, trudelt ein weiteres Problem ein: Rechnung aus Polen. Wieder probiere ich mein Glück auf der Onlineseite der Nord/LB, obwohl ich das Ergebnis bereits ahne: Auch Polen ist kein sicherer Drittstaat.

Allmählich begreife ich, warum das neue Überweisungsformat Pain heißt.

Ein Sprecher der Nord/LB erklärt auf Anfrage, die Maßnahme diene der Phishing-Prävention und gehe auf eine Empfehlung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) von 2015 zurück. Dieser rät den Sparkassen dazu, Auslandsüberweisungen standardmäßig zu deaktivieren, falls ein Kunde diese Funktion in der Vergangenheit noch nicht genutzt hat. Anscheinend verfahren fast alle Sparkassen so.

Betrugsprävention schön und gut – dennoch erscheint mir das Ganze ziemlich bizarr. Als der Gesetzgeber die europäischen Kontonummern konzipierte, tat er das mit dem Ziel, ein Handelshemmnis zu beseitigen und den Zahlungsverkehr innerhalb des EU-Binnenmarkts zu erleichtern. Für Verbraucher sollte es beispielsweise einfacher sein, bei Onlineshops im Ausland zu bestellen. Wenn Banken diese Möglichkeit nun standardmäßig unterbinden und Auslandsüberweisungen zu einem Opt-In-Feature machen, konterkarieren sie die Idee der Reform.

Ausland: böse! So wird das nichts mit Europa

Mithilfe von Freunden kriege ich das Geld zum Schluss nach Österreich und Polen, aber die Episode lässt mich ratlos. Zurzeit wird ja viel darüber geredet, dass Europa nicht mehr funktioniere. Politische Kommentatoren meinen damit in der Regel das große Ganze – die institutionellen Strukturen der EU oder die Währungsunion.

Was aber mitunter auch nicht mehr funktioniert, sind jene Projekte auf der Mikroebene, die den Bürgern Europas das Leben erleichtern sollen. Die IBAN war so eines. Wir haben eine EU-Verordnung verabschiedet, die innereuropäische Geldflüsse stärken sollte. Und nun lassen wir es den Banken durchgehen, dass sie diese politisch gewollten Geldflüsse blockieren.

Und zwar nicht zeitlich begrenzt für einzelne Länder, in denen gerade besonders viel Phishing stattfindet (wie zum Beispiel in Großbritannien), sondern pauschal für alle – Ausland: böse! Wir stellen Länder wie Österreich, mit denen wir in einer Währungsunion sind, unter Generalverdacht.

Das ist jene Art von Kleinstaaterei, von der ich geglaubt hatte, sie sei längst überwunden. Wenn wir nicht einmal etwas so Banales wie den innereuropäischen Zahlungsverkehr sicherstellen können, dann ist Europa tatsächlich bald im Eimer.

Hatten Sie auch ein besonderes Serviceerlebnis? Oder haben Sie einen Vorschlag für ein Produkt, das Tom König unter die Lupe nehmen sollte? Dann schreiben Sie an warteschleife@spiegel.de.

Quelle: Spiegel-online vom 12.08.2016

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Baufutzi
Baufutzi
7 Jahre zuvor

Bald wird das Bargeld abgeaschafft und wir sind dann in „DEREN“ Hand. Wenn wir vorher nicht das Ruder herum gerissen haben,sind eh alle Messen gesungen.