Flüchtlings-Strom – Steigende Zahlen an deutsch-österreichischer Grenze

Der Flüchtlingsstrom an der deutsch-österreichischen Grenze nimmt zu. Auch Kroatien berichtet von steigenden Zahlen. Zuvor war es wegen der Schließung der Grenze zwischen Ungarn und Serbien zu Ausschreitungen gekommen.

Horgos – Die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze nimmt zu. Am Mittwoch stoppte die Bundespolizei rund 4600 Asylsuchende beim Grenzübertritt, wie ein Sprecher in der Nacht mitteilte. Damit ist die Zahl im Vergleich zum Dienstag deutlich gestiegen, als die Bundespolizei rund 3500 Flüchtlinge zählte.

Am Mittwoch wurden zudem 18 Schleuser festgenommen. Viele Flüchtlinge kamen über die Saalachbrücke zwischen Salzburg und dem deutschen Grenzort Freilassing (Landkreis Berchtesgadener Land). Zwei Großgruppen mit je 700 Flüchtlingen wurden dort gestoppt. Auch der Bahnhof in Freilassing sei weiterhin ein Brennpunkt, berichtete der Sprecher. Die Flüchtlinge werden nun in Sammelstellen in der Region registriert und anschließend auf ganz Deutschland verteilt.

Am Mittwoch war die ungarische Polizei an der Grenze zu Serbien mit Tränengas und Wasserwerfern gegen Hunderte Flüchtlinge und Migranten vorgegangen. Diese hatten am Grenzort Horgos den Stacheldrahtzaun nach Ungarn durchbrochen, um ins EU-Land zu gelangen. Zwei der Flüchtlinge wurden schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht, berichteten serbische Ärzte.

Amnesty berichtet von getrennten Familien

Bei dem Versuch, aus Serbien über die Grenze in das EU-Land Ungarn zu gelangen, sind nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International mehrere Flüchtlingskinder von ihren Eltern getrennt worden. Wie Amnesty am Mittwoch mitteilte, wurden mindestens neun Menschen, darunter mindestens vier Kinder, von der ungarischen Polizei abgesondert, als eine Flüchtlingsgruppe versucht hatte, von Serbien aus den ungarischen Grenzzaun zu überwinden.

„Die Familien versuchen verzweifelt, mit ihren Kindern wiedervereint zu werden“, erklärte die Krisenreaktionsdirektorin von Amnesty, Tirana Hassan, bei einem Besuch vor Ort. „Sie haben nicht nur die traumatische Reise an die Grenze und den Einsatz von Gewalt der Polizei erlebt – sie haben jetzt die Sicherheit verloren, bei ihren Eltern zu sein“, sagte sie über die Flüchtlingskinder. Diese seien vermutlich in ein nahe gelegenes Gebäude des Grenzschutzes gebracht worden. „Die ungarischen Behörden müssen diese Kinder sofort ihren Familien übergeben“, forderte Hassan.

Auf der Suche nach Alternativrouten Richtung Westeuropa kamen knapp über 1000 Flüchtlinge im EU-Land Kroatien an. is in die Nacht seien 1200 Menschen registriert worden, teilten die dortigen Behörden mit. Man rechne in den kommenden Tagen mit weiteren Tausenden Menschen. Nicht zuletzt diese Aussicht veranlasste die österreichische Regierung, in Kürze mit Kontrollen an selektiven Abschnitten an der Grenze zu Slowenien zu beginnen. Die Kontrollen sollten in den kommenden Stunden starten, teilte das Innenministerium am Mittwoch mit.

Die Lage an der Grenze zu Ungarn, wo österreichische Beamte seit Mitternacht einreisende Fahrzeuge kontrollierten, habe sich „bedeutend beruhigt“, hieß es weiter. Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner betonte gegenüber der Nachrichtenagentur APA, jeder, der Asyl beantragen wolle, könne dies tun. Zugleich sagte sie, Österreich versuche, ein „klares Signal“ zu senden, dass das Land keinen unkontrollierten Zustrom von Migranten bewältigen könne.

Auch im Baltikum kommen Flüchtlinge an. Im EU-Land Estland nahm die Polizei elf afghanische Migranten fest, die sich mit gefälschten Papieren auf einer Fähre mit Ziel Finnland einschiffen wollten. In Lettland kamen 17 Iraker in Haft, die sich in dem Land illegal aufhielten und ebenfalls auf dem Weg nach Finnland waren. Auch Litauen meldete, ein lettisches Auto mit fünf Irakern sei gestoppt worden – sie wollten ebenfalls nach Finnland. Unklar blieb zunächst, was mit den Menschen nun geschehen soll.

Für das Vorgehen der ungarischen Polizei am Grenzzaun zu Serbien kassierte die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban harsche Kritik von vielen Seiten. Sie verteidigte jedoch ihr Vorgehen. Die Migranten stellten eine Gefahr für die gesamte Nation dar, sagte ein Sprecher.

Die Ausschreitungen ereigneten sich an einem kleineren Grenzübergang in der serbischen Ortschaft Horgos. Frustrierte Migranten hatte dabei Plastikwasserflaschen und Steine auf Bereitschaftspolizisten mit Schutzhelmen geworfen.

Uno-Generalsekretär Ban: Vorgehen ist „inakzeptabel“

Die serbische Regierung protestierte auf das Schärfste gegen das Vorgehen der ungarischen Polizei. Das Land will jetzt zusätzliche Polizeibeamte an die Grenze schicken, um künftige Zwischenfälle dieser Art zu vermeiden. Auch Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon bezeichnete das Vorgehen der ungarischen Polizei als „inakzeptabel“.

Derweil gab Orban in einem Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“ bekannt, auch an der Grenze zu Kroatien an bestimmten Abschnitten einen Grenzzaun zu errichten. Am Dienstag hatte er das bereits für Teilabschnitte an der Grenze zu Rumänien angekündigt.

Seit Dienstag ist die letzte Lücke in dem vier Meter hohen Zaun an der Grenze zu Serbien geschlossen. Nach den neuen Gesetzen ist eine Grenzüberquerung von Serbien außerhalb legaler Kontrollstellen nach Ungarn nun eine Straftat. Im Rahmen der neuen Maßnahmen gab es auch erstmals Verurteilungen: Zwei Männer wurden am Mittwoch des Landes verwiesen.

In der Nähe der türkischen Westgrenze haben hunderte Flüchtlinge einen Grenzübertritt nach Griechenland auf dem Landweg gefordert. Viele verweigerten am Mittwochabend die von einer türkischen Hilfsorganisation verteilten Lebensmittel und erklärten, ihre Forderung mit einem Hungerstreik durchsetzen zu wollen.

Seit Anfang der Woche versammelten sich Flüchtlinge – die meisten von ihnen aus Syrien – in der Hoffnung an der Grenze, dass die Behörden ihnen eine Weiterreise nach Griechenland auf dem Landweg gestatten, um die lebensgefährliche Seeüberfahrt zu vermeiden. Doch der Gouverneur der Provinz Edirne, Dursun Ali Sahin, untersagte den Flüchtlingen den Grenzübertritt. Den rund 1700 ausharrenden Menschen seien drei Tage Zeit gegeben worden, die Gegend zu verlassen, teilte ein Vertreter des Gouverneursbüros mit.

Reporter der Nachrichtenagentur AP beobachteten, wie einige Flüchtlinge an Bord von Kleinbussen nach Istanbul zurückgefahren wurden. Doch viele zeigten sich offenbar bereit, an der Grenze auszuharren. „Wir gehen nicht zurück“, sagte der Flüchtling Ahmed El Latif. „Entweder wir sterben hier oder wir gehen nach Griechenland.“

Quelle: Handelsblatt-online vom 17.09.2015

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