Patzelt: Dieser Führungsstil ruiniert die CDU weiterhin von oben her

Sachsen-CDU im Wahlkampf

Der Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt berät die sächsische CDU im Wahlkampf. Er warnt: Viele Sachsen sind enttäuscht von der CDU. Im Interview mit der JUNGEN FREIHEIT äußert Patzelt scharfe Kritik an Annegret Kramp-Karrenbauer: Mit ihren Äußerungen zu Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen habe die Parteichefin der Ost-CDU übel mitgespielt.

Herr Professor Patzelt, wie beurteilen Sie die Situation Sachsens vor der Landtagswahl?

Patzelt: Durchwachsen. Infrastruktur und öffentliche Gebäude sind in Ordnung. Weniger gilt das für den Internetzugang im ländlichen Raum, der außerdem an Abwanderung und Überalterung leidet. Die Wirtschaft des Freistaats steht gut da. Zwar fehlen weithin Großunternehmen, aber es gibt einen starken Mittelstand. Freilich hat kein DAX-Konzern in Sachsen seinen Sitz, was in Sachsen erarbeitete Steuern in großem Umfang an uns vorbeifließen läßt. Doch am schlimmsten ist es, daß aufgrund politischer Fehler der CDU unser Freistaat an politischer Stabilität eingebüßt hat, und das bedroht seinen wirtschaftlichen Erfolgskurs. Jedenfalls fühlen viele Sachsen ihr langjähriges Vertrauen in die CDU enttäuscht.

 Woran liegt das?

Patzelt: Erstens an der Migrationspolitik und zweitens an der Reaktion der CDU auf den daraufhin aufbrandenden Protest. Statt sich zu fragen: ‘Haben wir Fehler gemacht?’, wurden jene, die Protest äußerten, als Dummköpfe, Rassisten und Nazis hingestellt – und zwar auch von der CDU. Das macht nun die politischen Lage für die CDU sehr unangenehm, zumal die Mitglieder- und Wählerschaft der AfD vielfach ‘Fleisch vom Fleisch der CDU’ ist. Jetzt aber wünschen die nichts sehnlicher als eine Verzwergung der etablierten Parteien, vor allem der CDU. Dabei ist es – trotz aller Fehler, welche auch die Sachsen-CDU begangen hat – vor allem die Bundes-CDU, gegen die sich der Zorn eines Viertels der Wählerschaft richtete. Das macht den Landtagswahlkampf der Sachsenunion erst recht schwer.

Kritik an Kramp-Karrenbauer

Eben erst hat sich CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer kritisch über Hans-Georg Maaßen geäußert, der auch in Sachsen Wahlkampf macht. Schadet sie der Sachsen-CDU damit?

Patzelt: Aufgabe der Parteivorsitzenden wäre es, im sich zuspitzenden Richtungsstreit innerhalb der CDU zu vermitteln – wenn sie schon nicht jene Fehler des Merkel-Kurses abstellen will, die zum Großwerden der AfD auf Kosten der CDU geführt haben. Es ist unprofessionell, sich stattdessen – gar noch in Form eines nach links schielenden „Populismus von oben“ – gegenüber einem prinzipientreuen CDUler wie Maaßen derart herabsetzend zu äußern. Und es ist töricht, bei einem brisanten Thema wie dem Ausschluß eines innerparteilichen Gegners auch noch unklar zu formulieren.

Der ostdeutschen CDU hat die Bundesvorsitzende jedenfalls übel mitgespielt. Im Grunde hat sie ja gesagt: Euch frühere Kohl-Wähler wollen wir nicht mehr, schert euch mitsamt eurem Idol Maaßen zur AfD! Obendrein war die Aussage autoritär: Eine Partei grundlegend verändern darf nur eine Vorsitzende wie Merkel – sich dagegen von der Basis her zu wehren, gehört sich aber nicht. Dieser Führungsstil ruiniert die CDU weiterhin von oben her.

Die Sachsen sind empört darüber, daß sie von Politikern und Medien als Nazis oder Dunkeldeutschland bezeichnet werden. Die Ablehnung einer AfD-Koalition durch den Ministerpräsidenten interpretieren sie in dieselbe Richtung.

Patzelt: Der Ministerpräsident steht im Wahlkampf unter großem Druck des politischen Gegners und der mit ihm sympathisierenden Journalisten. Die setzen ihre – wie mir scheint: vielfach falsche – Lagebeurteilung mit großer Wucht durch und wollen ein Allparteien-Bündnis gegen die AfD erzwingen. Die wird, mitsamt ihren Wählern, zu diesem Zweck als Inbegriff alles menschlich und politisch Verwerflichen hingestellt. Sollte der Ministerpräsident da nicht auf größtmöglichen Abstand gehen, würde er in Mithaftung für den absehbaren Wahlerfolg der AfD genommen.

Patzelt rät CDU zu Minderheitsregierung

Und solange die AfD nicht glasklar für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung einsteht oder sich weiterhin im Abservieren pragmatischer Anführer gefällt, kann man ja wirklich nicht mit ihr zusammenwirken. Also verhält sich der Ministerpräsident strategisch-taktisch schon richtig. Ohnehin hat er seit langen im Landtag solche AfD-Politiker vor Augen, deren Polemik und Kompetenz – milde formuliert – nicht gerade nobelpreisverdächtig sind. Vor allem die greift er an, nicht aber die von der CDU enttäuschten AfD-Wähler – auch wenn die im Internet oft sehr übel auftreten, was absolut gerechtfertigte Kritik an ihnen nach sich zieht.

Viele Sachsen wundern sich über die CDU-Wahlplakate, die von denen der Grünen durch die Farbgebung nicht zu unterscheiden seien. Sie werten das als vorweggenommene Koalitionsaussage.

Patzelt: Weiß-Grün sind die Landesfarben Sachsens, und das Sachsen-Grün läßt die CDU sich nun einmal nicht von den Grünen wegnehmen. Allerdings gibt man in AfD-Kreisen nun die Parole aus, jede Stimme für die Union wäre eine Stimme für eine Koalition mit den Grünen. Die wiederum werden der CDU von TAZ und Tagesspiegel als angeblich unverzichtbarer Koalitionspartner nachgerade aufgedrängt.

Um gar nicht erst in diese von links und rechts gestellte Falle zu tappen, trete ich seit langem öffentlich für eine Minderheitsregierung der CDU ohne jeglichen Tolerierungspartner ein, was einer CDU-Regierung das Recht gäbe, quer über alle Fraktionen fallweise um die erforderlichen Mehrheiten zu ringen. Am besten wäre es freilich, man gewönne die zur AfD abgewanderten Wähler zurück, indem man ihnen die einst für absolute Mehrheiten gute Original-CDU endlich wieder zur Wahl anbietet. Dann gäbe es auch erneut pragmatische bürgerliche Mehrheitsregierungen.

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Prof. Dr. Werner J. Patzelt ist Politikwissenschaftler und lehrte bis 2019 an der TU Dresden. Er unterstützte die sächsische CDU bei der Erstellung des Landtagswahlprogramms und ist Mitglied der konservativen WerteUnion.

Quelle: Junge Freiheit vom 20.08.2019 


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gerhard
gerhard
4 Jahre zuvor

Der Professor mag ja recht haben…aber die Parteifuzzis wissen eh alles besser…. laufen lieber blind ins offene Messer. Wir brauchen dringend einen politischen Wandel…nicht nur im Osten. Die etablierten Parteien haben abgewirtschaftet… und versuchen diesen Zustand auch noch zu beschönigen.

Ulrike
Ulrike
4 Jahre zuvor

Struwwelpeter hat recht. Wir brauchen Politiker die wieder für die Bürger da sind und nicht umgekehrt.