Asylsuchende Österreich kontrolliert Flüchtlingsrouten kaum

Flüchtlinge können oft ohne Kontrolle über Italien und Österreich nach Deutschland reisen. Wien beruft sich dabei auf das Schengen-Abkommen. Feste Kontrollen seien nicht möglich.

18.08.2015, von Eckart Lohse, Julian Staib, Stephan Löwenstein, Berlin, Frankfurt, Wien

© Amadeus Waldner Flüchtlinge aus Afrika und eine Helferin einer Freiwilligenorganisation am Bahnhof von Bozen.

Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Italien kommen, gelangen oftmals ohne Polizei- und Fahrkartenkontrollen über Italien und Österreich nach Deutschland. Das zeigen Recherchen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Nach Angaben der Bundespolizei kamen unlängst an einem Tag allein über die Brennerroute 900 Flüchtlinge per Zug in Deutschland an. Über die Balkanroute waren es 300. Das liegt auch daran, dass in Ungarn mehr Menschen aus den Zügen genommen werden als in Italien und Österreich.

Deutliche Kritik am Verhalten Österreichs übte der Obmann der Unionsfraktion im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, Roderich Kiesewetter (CDU): „Ich erwarte von Österreich mehr Solidarität gegenüber seinen Nachbarstaaten“, sagte Kiesewetter dieser Zeitung. Es gehe nicht, dass Flüchtlinge nur durch Österreich „durchgeschleust“ würden. Kiesewetter forderte die dortigen Behörden auf, besser mit den deutschen Behörden zusammenzuarbeiten.

Aus Österreich hieß es dazu, es könne durchaus vorkommen, dass auch einmal eine größere Gruppe Flüchtlinge unkontrolliert durchreise. Doch es entspreche „überhaupt nicht den Tatsachen, dass wir nicht kontrollieren,“ sagte der stellvertretende Leiter der Fremdenpolizei Tirol, Marius Meisinger, der F.A.Z.. Bei den Kontrollen würden „Schwerpunkte gesetzt“. Das Schengen-Abkommen verbiete feste Grenzkontrollen. Aufgegriffene Personen würden zumeist nach Italien zurückgeschoben. Auch nehme Österreich von Deutschland immer wieder Personen zurück.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) übte unterdessen scharfe Kritik an Staaten, die einreisende Flüchtlinge nicht registrieren. Die Praxis sei „inakzeptabel“. „Solche Staaten verstoßen krass gegen geltendes europäisches Recht“, sagte Herrmann. Die Aussetzung des Schengen-Systems sei „an außerordentlich hohe Hürden geknüpft“, daher müsse Deutschland „zunächst auf andere Maßnahmen setzen“, etwa eine bessere Sicherung der EU-Außengrenzen, äußerte Herrmann. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) forderte derweil ein EU-Programm in Höhe von zehn Milliarden Euro für Syriens Nachbarstaaten, um syrische Flüchtlinge vor Ort zu betreuen.

Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.08.2015

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