Österreich: Volksparteien zerlegen sich, Rechte triumphieren

 

Von Hasnain Kazim, Wien

Norbert Hofer

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Norbert Hofer

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Politische Sensation in Österreich: Erstmals schaffen es weder Sozialdemokraten noch Konservative in die Stichwahl zum Bundespräsidenten. Das Land erlebt einen dramatischen Rechtsruck.

Auf Österreich kommen bewegte Zeiten zu. Norbert Hofer Kandidat der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), hat die erste Runde der Bundespräsidentenwahl mit Abstand gewonnen.Hochrechnungen zufolge kam der 45-Jährige auf rund 35 Prozent der abgegebenen Stimmen.

Umfragen hatten ihn zuvor nur auf dem zweiten Platz gesehen, hinter dem Kandidaten der Grünen, Alexander Van der Bellen. Der landete nun nach einer Hochrechnung des Instituts Sora mit 21,3 Prozent auf dem zweiten Platz und tritt am 22. Mai in einer Stichwahl gegen FPÖ-Kandidat Hofer an.Die unabhängige, von den bürgerlichen NEOS unterstützte Irmgard Griss bekam etwa 19 Prozent der Stimmen.

Das ist eine Zäsur im politischen Österreich, denn erstmals in der Geschichte der Republik wird weder die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) noch die christlich-bürgerliche Österreichische Volkspartei (ÖVP) den Bundespräsidenten stellen.

Die Wahl ist eine Abrechnung mit dem Establishment, das Ergebnis auch Folge der jahrzehntelangen Herrschaft zweier Volksparteien und einer zu lange regierenden Großen Koalition, die zerstritten ist und in Wahrheit nur auf den Moment wartet, den jeweils anderen Partner loszuwerden. Diese Wahl ist für SPÖ und ÖVP ein Debakel.

Es ist auch die Folge ihrer eigenen Resignation. „Erstaunlich, wie sich ein Angstlust-Szenario, das zwar seit Jahren beschworen, aber nie ganz ernst genommen wurde, zum weithin akzeptierten Fait accompli gewandelt hat – als wäre der FPÖ-Sieg ein unentrinnbares Naturgesetz, dem man außer hilflosem Schulterzucken nichts mehr entgegensetzen kann“, kritisiert das Nachrichtenmagazin „profil“ in seiner aktuellen Ausgabe. „SPÖ und ÖVP scheinen sich mit dem Triumph der Blauen“ – gemeint ist die FPÖ, deren Parteifarbe Blau ist – „abgefunden zu haben. Das kann man Realismus nennen. Oder Selbstaufgabe.“

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Tatsächlich hat die SPÖ-ÖVP-Regierung sich in der alles überlagernden Flüchtlingsthematik von der FPÖ treiben lassen. Die Rechten stellten immer neue Forderungen, die Regierung hechelte hinterher, in dem Glauben – oder Irrglauben? -, auf diese Weise wäre ihre Macht zu retten.

Vom Partner Merkels zum schärfsten Kritiker

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) wandelte sich unter diesem Druck vom Partner der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingspolitik zu einem ihrer schärfsten Kritiker. Österreich verfolgte plötzlich eine Politik der geschlossenen Grenzen und legte sich auch mit Ländern wie Griechenland und Italien an.

Die FPÖ hat die – eigentlich eher langweilige – Bundespräsidentenwahl zu einer Richtungsentscheidung stilisiert und mit Forderungen nach neuen Zäunen und schärferen Asylgesetzen Wahlkampf gemacht.

Solche Töne dürften in den kommenden Wochen weiter zu vernehmen sein: Der siegesgewisse Hofer hat angekündigt, dass er von seinem Recht Gebrauch machen würde, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen, falls er ins Bundespräsidentenamt gewählt würde.

Auch das wäre eine Zäsur. Denn wäre jetzt Nationalratswahl, was der Bundestagswahl in Deutschland entspricht, würde die FPÖ mit etwa 30 Prozent stärkste Kraft. Dann würde sie mit Parteichef Heinz-Christian Strache wohl den Bundeskanzler stellen.

Richtungsentscheid zwischen rechtem und linkem Lager?

Damit würde die FPÖ unter Strache erreichen, was sie unter dem 2008 bei einem Autounfall tödlich verunglückten Jörg Haider nicht geschafft hat: Österreich stünde mit Polen und Ungarn in einer Reihe jener europäischen Länder, die von Rechtspopulisten regiert werden. Die Stichwahl Hofer gegen den ehemaligen Grünen-Chef Van der Bellen wird eine Richtungsentscheidung zwischen rechtem und linkem Lager. Denn Van der Bellen will als Bundespräsident eine FPÖ-geführte Regierung nicht akzeptieren.

Gewonnen hat Hofer noch nicht. Aber der überraschend hohe Stimmenanteil für ihn und die FPÖ an diesem Sonntag zeigt, wohin Österreich treibt.

Quelle: Spiegel-online vom 24.04.2016

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