Empörung im Mainstream: RT darf nicht fragen, ob der Kaiser nackt ist

Empörung im Mainstream: RT darf nicht fragen, ob der Kaiser nackt ist

Verunsicherung auf beiden Seiten der Bundespressekonferenz: Regierungssprecher Steffen Seibert wird neuerdings mit kritischen Fragen konfrontiert – die „Welt“ findet das skandalös.

Bei der Bundespressekonferenz quälen neuerdings Journalisten die Regierungssprecher mit kritischen Fragen, klagt die „Welt“. Gemeint sind die Kollegen von #RT. Die Angst vor der überfälligen Veränderung journalistischer Rituale in #Deutschland sitzt tief.

von Thomas Schwarz

Die zahlreichen Kampagnen gegen RT von seiten etablierter deutscher Redakteure sind aus deren Sicht verständlich und normalerweise bedürfen sie keiner Reaktion. Nun hat die Welt aber einen doch erwähnenswerten Artikel zum Thema geschrieben. Interessant ist er deshalb, weil er nicht die üblichen Aufrufe zur Zensur oder Schikane von RT enthält, sondern weil er die nackte Angst transportiert: die #Angst davor, dass bald alle merken, wie nackt man selber dasteht. Und davor, dass die bequemen und eingespielten Rituale bei der Bundespressekonferenz vor dem Kollaps stehen, während die Darsteller noch keine neuen Regieanweisungen haben.

Ein selbstreferenzieller Narrativ verträgt keine Gegenstimmen

Die Diffamierungen gegen den russischen Auslandssender RT sind beileibe nicht neu. Wenn alle jubeln, was der Kaiser für prachtvolle Kleider trägt, dann muss der, der sagt, dass der Kaiser eigentlich ziemlich nackt dasteht, als Lügner gebrandmarkt werden – sonst fangen die Bürger noch an, sich die Kleidung des Chefs und seines Hofstaats mal genauer anzusehen. Dabei würden sie mutmaßlich feststellen: Nicht nur der Kaiser – auch viele seiner Berichterstatter sind splitterfasernackt. So funktioniert #Propaganda, oder anders formuliert: Sie bricht zusammen, wenn sich nur eine seriöse Stimme gegen sie behaupten kann.

Aus diesem Grund muss RT immer und immer wieder die Seriosität abgesprochen werden. Das ist für die #Mainstream-Medien und ihre nur in einer Sphäre der Kritiklosigkeit funktionierenden Narrative überlebenswichtig. Diese Arbeit der etablierten Medien wird dadurch vereinfacht, dass RT neben Blogs wie den Nachdenkseiten oder Einzelkämpfern wie Tilo Jung die einzige Stimme in Deutschland ist, die etwa bei den Themen Syrien und Skripal-Affäre konsequent kritisch nachfragt und sich nicht mit kindischen „Handouts“ der britischen Regierung abfertigen lässt.

„Russen sind sie nicht“

Doch selbst diese eine Stimme ist schon eine zu viel, findet die Welt: Wenn es in der Bundespressekonferenz um Russland gehe, seien da „neuerdings immer ein paar Journalisten zur Stelle, die sich nur für diesen Themenkomplex interessieren“, wundert sich die Zeitung – und dieses Interesse ist in Zeiten, da Syrien, Skripal-Affäre und das Verhältnis zu Russland die Titelseiten aller Zeitungen dominieren, auch tatsächlich erstaunlich. „Woher kommen sie? Russen sind sie nicht“, fragt sich der Autor Thomas Vitzthum. Vielleicht hätte er – gerade als der seriöse Journalist, als der er sich in seinem konstruierten Gegensatz zu RT-Kollegen darstellen will – eine der wichtigsten journalistischen Regeln anwenden sollen: Frage bei der Gegenseite nach! RT hätte der Welt sicherlich Auskunft über die Herkunft seiner jungen und multikulturell geprägten Redaktion mit hohem Frauenanteil geben können.

Die Welt ist sich sicher: „Die Männer (Frauen wurden noch nicht gesehen) verfolgen ein klares Ziel. Dass es ein Auftrag ist, wäre Mutmaßung. Sie wollen #Russland und auch #Assad gut dastehen lassen, den #Westen, die #Bundesregierung schlecht.“ Zum Einen ist neben dem „Auftrag“ auch die angeblich klare Zielsetzung eine reine #Verschwörungstheorie. Zum Anderen könnte man eine klare Zielsetzung eher den Redakteuren des Springerverlags unterstellen – schließlich müssen die bereits in den Arbeitsverträgen folgenden Passus   unterschreiben: „[…] Wir unterstützen die Lebensrechte Israels. Wir zeigen unsere Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika. […]“ Die Kollegen von RT Deutsch müssen sich in ihren Verträgen jedenfalls nicht zur deutsch-russischen Freundschaft bekennen.

Auch scheinen den Kollegen von der Welt etwas die Perspektiven durcheinandergeraten zu sein, wenn sie über RT-Reporter schreiben und bedauern: „Meist reden sie dreimal so lang, wie der Regierungssprecher antwortet. Das lässt ihn blass wirken, fast hilflos. Ihre Fragen sind legitim. Und doch in höchstem Maße tendenziös.“ Meint der Autor das ernst? Komplexe („legitime“) Fragen verbieten sich, weil der Sprecher einsilbig, blass und hilflos antwortet?

„AfD-Effekt“ auch in der Medienlandschaft: Man ist nicht mehr unter sich

Dann wird die Welt prinzipiell: „Für die Journalisten ist das Auftauchen dieser Kollegen so bedeutsam wie für Politiker der Einzug der AfD in den Bundestag. Sie verändern das Klima, die Debattenkultur.“ Mal wieder RT in die AfD-Schublade zwängen? Geschenkt. Wichtig ist der folgende Absatz, in dem sich die Angst vor der überfälligen Veränderung der deutschen Medienlandschaft mit dem Neid paart, dass andere Kollegen auf diesem Weg schon viel weiter sind: „Schon beobachtet man, dass manch bekannter Kollege ähnlich ruppige, ähnlich durchkonstruierte Fragen stellt.“ RTwirkt! RT steckt die Reporter-Kollegen mit kritischem Journalismus an! Wir haben es geahnt, aber der Ritterschlag durch Deutschlands mutmaßlich ruppigsten Propaganda-Konzern tut dann doch gut: „Das Auftauchen der Neuen provoziert einen Überbietungswettbewerb um den heftigsten Angriff gegen die Regierung.“ Ja: Wir sind die Neuen. Und wir sind gekommen, um zu bleiben!

Die Sphäre der Nachrichten ist in Bewegung, es gibt auch zaghafte Signale einer Verbesserung. Natürlich weiß auch die Welt nicht, wohin genau die mediale Reise geht, aber: „Sicher ist, die politische Zeitenwende hat auch die Medien erreicht.“ Na endlich!

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Ulrike
Ulrike
5 Jahre zuvor

Amüsiere mich immer köstlich wenn Seibert die Meinung seiner Chefin vorsagen muss.
Der Mann hat auch seine Seele verkauft – pfui Teufel.