Präsidentenwahl in Österreich – Merkel fürchtet die blaue Republik

FPÖ-Mann Hofer könnte in Österreich der erste rechtspopulistische Staatschef Westeuropas werden. Für Angela Merkel wäre das – ausgerechnet kurz vor ihrem Krönungsparteitag – keine gute Nachricht.

© Christian O. Bruch/ laif

Von Philipp Wittrock

CDU-Chefin Angela Merkel
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CDU-Chefin Angela Merkel

 

Norbert Hofer macht gerne Wahlkampf mit Angela Merkel. Vor Kurzem, beim TV-Duell, befand Hofer, die Kanzlerin habe Europa mit ihrer Flüchtlingspolitik erheblichen Schaden zugefügt. Seinen Konkurrenten Alexander Van der Bellen verspottet er schon mal als „Befehlsempfänger“ der deutschen Regierungschefin.

Am Sonntag wird sich zeigen, ob die Taktik verfängt. Dann findet in Österreich die Stichwahl um das Amt des Bundespräsidenten statt. Die Chancen des FPÖ-Politikers Hofer, den Grünen-Politiker Alexander Van der Bellen zu schlagen, stehen nicht schlecht.

Es wäre eine historische Wahl: Gewinnt Hofer, ist er der erste Nationalist an der Spitze eines westeuropäischen Staates. Eines wohlhabenden, wirtschaftlich gesunden Staates der Europäischen Union.

Für Merkel wäre das, gelinde gesagt, keine gute Nachricht. Nach dem Brexit und Donald Trumps Sieg in den USA müsste die Kanzlerin einen neuen Rückschlag im Kampf gegen den um sich greifenden Populismus hinnehmen.

Weiterer Auftrieb für Europas Rechte

Das europäische Fundament bekäme weitere Risse: Ein rechter Triumph im Nachbarland könnte den Gesinnungsgenossen überall in der EU weiteren Auftrieb geben. Etwa in den Niederlanden, wo Geert Wilders „Partei für die Freiheit“ (PVV) im März stärkste Kraft werden will. Oder Marine Le Pen, die in Frankreich Präsidentin werden will. Oder in Deutschland, wo die AfD im Herbst in den Bundestag drängt. Die deutschen Nationalen haben mit der FPÖ bereits eine „Blaue Allianz“ gebildet.

Die Entscheidung in Österreich fällt ausgerechnet unmittelbar vor dem CDU-Bundesparteitag. In Essen treffen sich am Dienstag und Mittwoch die Christdemokraten, um Merkel als Parteichefin und neuerliche Kanzlerkandidatin zu bestätigen. Ein möglicher Hofer-Sieg aber würde einen dunklen Schatten auf die Krönungsmesse werfen.

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Dabei hätte es diese Konstellation unter normalen Umständen gar nicht gegeben. Aber die erste Stichwahl im Mai – knapp gewonnen von Van der Bellen – wurde wegen organisatorischer Schlampereien höchstrichterlich annulliert, der Ersatztermin platzte wegen fehlerhafter Briefwahlumschläge. Nun also der dritte Anlauf.

Der CDU-Spitze könnte der Wahlsonntag beim Nachbarn lästige Debatten auf dem Parteitag bescheren. Eigentlich darf Merkel nach ihrer Ankündigung, für eine vierte Amtszeit anzutreten, mit einem anständigen Ergebnis bei der Wiederwahl rechnen. Auch inhaltlich gibt es kein größeres Konfliktpotenzial.

Doch ein Erfolg Hofers würde die Debatte über den richtigen Umgang mit Populisten weiter befeuern. Die Unzufriedenen in Merkels Reihen könnten die Gelegenheit nutzen, um den Aufstieg der AfD und die Verantwortung der CDU dafür zu diskutieren. Österreich dürfte da als Mahnung dienen: Die andauernde großkoalitionäre Zusammenarbeit von Konservativen und Sozialdemokraten hat die nationalen Kräfte dort immer stärker gemacht.

Wie Hofer der FPÖ an die Macht helfen könnte

Die CDU-Führung will diese Art der Selbstbeschäftigung im Sinne demonstrativer Geschlossenheit lieber vermeiden. Aber selbst, wenn die Debatte auf der Parteitagsbühne ausbliebe – ein FPÖ-Triumph würde die Kanzlerin noch lange beschäftigen. Denn Österreich könnte sich mit einem Bundespräsidenten Hofer schon bald in eine blaue, also von der FPÖ dominierte Republik verwandeln.

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DPA

FPÖ-Präsidentschaftsbewerber Norbert Hofer (r.) und Parteichef Heinz-Christian Strache

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Zwar gibt sich Hofer seriöser als FPÖ-Frontmann Heinz-Christian Strache. Aber als Staatschef könnte der 45-Jährige seinem Parteichef trotzdem den Weg an die Macht ebnen, und zwar lange, bevor die nächsten regulären Parlamentswahlen im Jahr 2018 anstehen.

Denn der österreichische Bundespräsident ist mächtiger als sein deutsches Pendant. Er kann die Regierung entlassen, einen neuen, ihm genehmen Kanzler ernennen, schließlich das Parlament auflösen und so mittelbar Neuwahlen herbeiführen. Bisher nutzten die Bundespräsidenten diese Befugnisse nicht, aber Hofer machte im Wahlkampf vielsagende Andeutungen: „Sie werden sich wundern, was alles gehen wird.“

Der FPÖ jedenfalls kämen vorgezogene Wahlen gelegen, in Umfragen liegt sie mit weit über 30 Prozent deutlich vorne, die Regierungsmehrheit von SPÖ und ÖVP bröckelt.

Ein FPÖ-Kanzler aber wäre für Merkel ein Albtraum. Lange galt die österreichische Regierung als einer der engsten Verbündeten der Kanzlerin. In der Flüchtlingskrise aber emanzipierte Wien sich zusehends von Berlin, wobei der Druck der nationalen Kräfte im Land daran nicht unschuldig war. Wie aber soll eine Zusammenarbeit mit einem Bundeskanzler Strache aussehen, der Merkel jüngst noch als „gefährlichste Politikerin Europas“ bezeichnet hatte?

Nicht einfacher wird die Lage dadurch, dass ausgerechnet die christsoziale ÖVP, die zur gleichen europäischen Parteienfamilie wie CDU und CSU gehört, den Rechten künftig als Mehrheitsbeschaffer dienen könnte. Mancher in der Partei liebäugelt jedenfalls mit einer Zusammenarbeit, so wie schon von 2000 bis 2007 – damals allerdings stellten die Konservativen noch den Kanzler.

In der ÖVP gibt es über die neuerlichen Avancen heftigen Streit. So empfahl Parteichef Reinhold Mitterlehner jüngst Van der Bellen als Bundespräsident, Fraktionschef Reinhold Lopatka sprach sich dagegen für FPÖ-Mann Hofer aus. Was das für den künftigen Kurs bedeutet, kann die CDU-Spitze beim eigenen Parteitag erfragen. Traditionell ist auch ein ÖVP-Vertreter eingeladen.

Wer kommt, ist bisher nicht bekannt.


Zusammengefasst: Am Sonntag wählt Österreich einen neuen Bundespräsidenten. Der FPÖ-Politiker Norbert Hofer könnte der erste nationale Politiker an der Spitze eines westeuropäischen Staates werden. Ein möglicher Sieg Hofers könnte auf dem CDU-Parteitag für neue Debatten über den Umgang mit Populismus sorgen. Angela Merkel muss zudem befürchten, dass Hofer den Weg zu Neuwahlen im Nachbarland ebnet, nach denen die FPÖ auch den Regierungschef stellen könnte.

Quelle: Spiegel-online vom 02.12.2016

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Ulrike
Ulrike
7 Jahre zuvor

Hoffentlich wählen die Österreicher heute richtig und befreien sich von den Vasallen.