Europa – Stratfor: Flüchtlings-Krise beschleunigt Zerfall der EU

Der private US-Geheimdienst Stratfor geht davon aus, dass die aktuelle Flüchtlings-Krise den Zerfall der EU beschleunigen werde. Diese Krise führe zu massiven Spannungen zwischen den EU-Staaten. Dadurch werden die nationalen Euro-Skeptiker gestärkt. Die EU-Spitzen wirken in der Tat trotz ihrer guten Absichten geradezu ohnmächtig in der Krise.

In Polen, der Heimat von EU-Präsident Donald Tusk, kam es zu Massenprotesten, als bekannt wurde, dass Polen erwägt, Flüchtlinge aufzunehmen. (Foto: dpa)

Herkunftsländer und Destinationen von Asylsuchenden. (Grafik: Stratfor)



In den vergangenen Wochen haben mehrere EU-Mitgliedstaaten vorübergehende Grenzkontrollen eingeführt, um den Zustrom von Asylsuchenden zu stoppen. Die meisten Länder, die diesen Schritt vorgenommen haben, befinden sich rittlings der sogenannten Balkan-Route, die von Griechenland, über Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich und Deutschland verläuft. Künftig könnten die Flüchtlinge aufgrund der verschärften Grenzkontrollen nicht mehr die Route über Ungarn nehmen, sondern über Kroatien und Rumänien, berichtet der private US-Geheimdienst Stratfor.

Sollten wiederum Serbien und Mazedonien ihre Grenzkontrollen verschärfen, müssten die Flüchtlinge von Griechenland aus nach Italien, um nach Österreich und Deutschland zu gelangen. Wenn dieser Fall eintritt, wird Griechenland die Auswirkungen spüren. Die Flüchtlings-Routen innerhalb Europas führen zwangsläufig zu Streitigkeiten und gegenseitigen Anschuldigungen zwischen den EU-Staaten. Inzwischen hat dieses Problem große Spannungen zwischen Italien und Frankreich sowie zwischen Frankreich und Großbritannien ausgelöst.

Stratfor wörtlich: „Obwohl die steigende Zuwanderung Europas alternder und schrumpfender Bevölkerung helfen kann, erzeugt es auch Konflikte in den Aufnahmeländern. In Deutschland zum Beispiel, hat der Zustrom von Asylsuchenden zu einem Anstieg von Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte geführt. Währenddessen steigt in Schweden – ein beliebtes Ziel für Asylbewerber – die Popularität der Anti-Einwanderungs-Partei Schwedendemokraten Partei. Während die meisten nationalistischen Parteien in Europa in den letzten Wochen etwas geschwiegen hatten, melden sie sich aufgrund der Kombination aus Zuwanderung und einer stockenden wirtschaftlichen Erholung in vielen EU-Mitgliedstaaten wieder zu Wort. Sie finden ein fruchtbares Umfeld.“

In den kommenden Tagen werde Deutschland den politischen Druck auf Länder wie Polen und Rumänien erhöhen, damit dieser Flüchtlinge aufnehmen. Doch es gibt, so Stratfor, keine Möglichkeit, die Länder zu diesem Schritt zu zwingen. Auch die Einführung von finanziellen Strafen – in Form von Geldstrafen für nicht-kooperative EU-Staaten – werden die politische Zersplitterung innerhalb der EU nur noch verschärfen.

Der private US-Geheimdienst ist der Ansicht, dass die EU am Ende zerfallen und erneut durch die Nationalstaaten ersetze werde.

Tatsächlich wirkt die EU-Spitze trotz der guten Absichten geradezu ohnmächtig: EU-Präsident Donald Tusk hat die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union zu fast flehentlich zu einem gemeinsamen Vorgehen in der Flüchtlingskrise aufgefordert. Sie müssten aufhören, die Verantwortung abzuwälzen und sich gegenseitig die Schuld für die Krise zu geben, forderte Tusk am Freitag in seinem Einlandungsschreiben zum EU-Sondergipfel am kommenden Mittwoch. Die Europäer seien derzeit nicht in der Lage, die gemeinsamen Außengrenzen der EU zu regeln. Der Schutz der europäischen Gemeinschaft sei jedoch oberste Aufgabe, „und wir haben an dieser Front versagt“. Es sei entscheidend, eine glaubwürdige europäische Flüchtlingspolitik zu etablieren.

Vor dem Sondergipfel sorgt unter anderem die Frage der Verteilung der Flüchtlinge auf die EU-Länder für Streit. Bei dem Treffen sollte es auch darum gehen, wie den von der Krise besonders betroffenen Ländern Italien, Griechenland und Ungarn geholfen werden könne, forderte Tusk. Er regte eine Zusammenarbeit mit den Westbalkan-Staaten an, über die viele Flüchtlinge versuchen, in die EU zu kommen. Zudem müsse über eine Zusammenarbeit mit der Türkei und anderen Nachbarländern Syriens gesprochen werden.

Quelle: Deutsche Wirtschafts Nachrichten vom 19.09.2015

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